Michael Kretschmer und seine Russland-Liebe

Medial wird viel über die Russland-Rolle von Manuela Schwesig, Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier berichtet. Das ist auch richtig so. Und sicherlich wird auch das Verständnis in der SPD größer als in der CDU/CSU für Russland sein. Woran das liegt, kann man lang und breit diskutieren. Jedoch sollte es darüber nicht hinwegtäuschen, dass es auch einflussreiche Politiker:innen der Union gibt, die an der Situation nicht ganz unschuldig sind.

Zu nennen wäre hier natürlich Altkanzlerin Angela Merkel und Peter Altmaier, die mit ihrer Politik massiv zur Energieabhängigkeit von Russland beigetragen haben. Obwohl es auch aus der eigenen Partei stets andere Stimmen gab.

 

Lothar de Maiziere, erster und letzter frei gewählter Ministerpräsident der DDR, sagte folgendes:
"Putin wurde nicht müde, immer wieder seine eigenen Interessen zu erklären und eine russische Sichtweise vorzutragen, doch der Westen hat nicht zugehört. Der Westen hat sich zu wenig um die russische Sicht gekümmert, weil er sie nicht wahrhaben wollte."

 

Auch der Merkel-Vertraute und ehemalige Generalsekretär Ruprecht Polenz wies an verschiedenen Stellen auf die falsche Russland-Politik der Bundesregierungen hin.

 

Genützt hat dies alles nichts. Trotz erheblichen Widerständen in der Gesellschaft sorgte die CDU/CSU gemeinsam mit der SPD dafür, dass die erneuerbaren Energien torpediert werden, erfand lustige Dinge wie den Solardeckel, vergraulte die Windkraftindustrie und vertrat die Ansicht, dass Nordstream 2 ein rein privatwirtschaftliches Projekt frei von jeglicher geostrategischer Politik ist. Egal ob Krim-Annexion oder die Vergiftung von Nawalny - Bis auf die Äußerung von Besorgnis - wenn der Konflikt groß war, war es die große Besorgnis - kam von der Bundesregierung nichts. Im Kern setzen SPD, Grüne und FDP diese falsche Politik fort, die schon unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel zum Scheitern verurteilt war.

 

In den letzten Wochen könnte man den Eindruck gewinnen, dass zumindest die Union dazu gelernt hat. Ignoriert man die politischen Spielchen im Bundestag, um die Ampel besonders schlecht darzustellen, scheinen die Reihen sehr geschlossen zu sein. Politiker wie Stephan Albani sind abgetaucht. Die ganze Union scheint auf der pro-ukrainischen Linie zu sein. Die ganze Union? Nein! Ein von einem Pro-Russland geführten Ministerpräsidenten bevölkertes Bundesland hört nicht auf, der rührseligen Distanzierung der Union ein Schnippchen zu schlagen.

 

In diesem Blogbeitrag möchte ich die Rolle von Michael Kretschmer beleuchten. Der Ministerpräsident, der in der Öffentlichkeit immer mit seiner laxen Haltung gegenüber Rechtsaußen auffällt, Querdenker:innen hofiert und früher auch mal den Zaunbau Ungarns zur Geflüchtetenabwehr verteidigte, fällt medial leider sehr durch's Raster. Dabei ist es nich so, dass seine Lobhudelei für Diktator Putin und Russland nicht auch medial einen Kracher bringen würde.

 

 

Bildquelle: Twitter-Account von Michael Kretschmer
Gespräch zwischen Ministerpräsident Kretschmer und Präsident Putin beim St. Petersburg International Economic Forum 2019. Quelle: Twitter-Account Kretschmer

Gespräch mit Putin beim International Economic Forum in St. Petersburg

 

Im Juni 2019 traf sich Michael Kretschmer mit Wladimir Putin beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Laut Kretschmer selbst ging es im Gespräch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Denn Russland sei ein strategisch wichtiger Partner. Hierbei forderte er auch die Beendigung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim vorgenommen wurden. Damit handelte er sogar im gegenteiligen Interesse der offiziellen Russland-Politik der Bundesrepublik Deutschland.

 

 

 

Im Vorfeld der Reise sagte Kretschmer: »Russland ist ein wichtiger Partner für Sachsen. Das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg bietet eine hervorragende Gelegenheit, die guten wirtschaftlichen und die politischen Beziehungen zwischen Sachsen und der russischen Föderation weiter auszubauen. Sachsen braucht stabile Beziehungen zu Russland. Einen hohen Stellenwert haben dabei die Regionalpartnerschaften mit St. Petersburg, Tatarstan und Baschkortostan«

 

Nach dem Treffen mit Putin sagte Kretschmer: »Wir haben auch sehr intensiv über die schwierige Frage in der Ukraine gesprochen. Und wir haben auch deutlich gemacht, dass Russland da eine zentrale Verantwortung hat.«

Telefonat von Michael Kretschmer mit Wladimir Putin bei seiner Reise im Juni 2021 nach Moskau. Quelle: Instagram-Kanal Kretschmer
Telefonat von Michael Kretschmer mit Wladimir Putin bei seiner Reise im Juni 2021 nach Moskau. Quelle: Instagram-Kanal Kretschmer

SputnikV-Reise im Juni 2021 nach Moskau

 

Ein fast schon legendäres Kretschmer-Foto ist bei seinem Besuch in Moskau 2021 entstanden. Russland marschierte gerade an der Grenze zur Ukraine auf, der Geheimdienst stand im Verdacht, einen Giftanschlag in Tschechien unternommen zu haben und die Gesundheitssituation von Navalny war zu diesem Zeitpunkt zweifelhaft. Neben einen Tross aus Wirtschaft, Kultur und Medien nahm an dieser Reise ein CDU-Landtagsabgeordneter und der zum rechtsextremen AfD-Flügel gezählten Fraktionschef Jörg Urban teil.

 

Was Kretschmer in Moskau genau erreichen wollte, bleibt auch heute noch unklar. Vordergründig sollte es um Sputnik V gehen, was aber durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn bereits abgeklärt war. Die Reise war also deswegen nicht notwendig.

 

Michael Kretschmer zu seinem Besuch: "Den Freistaat Sachsen und Russland verbinden 30 Jahre intensiver Kooperation und Beziehungen. Es ist selbstverständlich, dass auch kritische Punkte wie die Ukraine-Krise & die Situation um Navalny in so einem Gespräch deutlich angesprochen werden."

 

Eindrücklich fand ich eine Bemerkung, die er im Interview mit der WELT am 29.04.2021 tätigte.

 

Ein Auszug:

"WELT: Haben Sie mit Demonstranten auf der Straße gesprochen?

Kretschmer: Nein. Ich habe viele junge Leute auf diesen Demos gesehen. Aber ein direktes Gespräch hätte vermutlich mehr geschadet als genützt. Nicht für mich, sondern für die russischen Demonstranten."

 

Im selben Interview sagte er: "Die Reise nach Moskau war lange geplant, und ich bin sehr beeindruckt von dem, was ich dort erlebt habe. Der Aufenthalt hat mich in der Überzeugung bestärkt, dass es richtig ist, miteinander statt übereinander zu reden."

 

Möge sich jeder sein eigenes Bild darüber machen, was von diesen beiden Aussagen zu halten ist.

 

 

Umgehung der Russland-Sanktionen für sächsische Unternehmen?

 

Am 28.02.2022 gab der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer im MDR ein bizarres Interview, was allerdings außerhalb von Sachsen nicht wirklich wahrgenommen wurde. Die neue Dimension im Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine war gerade einmal vier Tage alt. Wir erinnern uns: Der 27. Februar war der Tag, an dem Wladimir Putin die Atomstreitkräfte des Landes in Alarmbereitschaft setzte und damit massiv eskalierte. Die Meldung ging den ganzen Tag rauf und runter und war auf sämtlichen Kanälen präsent. Dies ist wichtig, da es das Interview von michael Kretschmer am 28.02. noch bizarrer macht.

 

Dort sagte er:

"Ich bin bei SWIFT sehr zurückhaltend gewesen. Das wäre nicht mein Mittel der Wahl gewesen. Und zwar auch deswegen, weil es immer notwendig ist, weiter in Kontakt zu sein und weiter Dinge miteinander zu tun. Wir werden mit den sächsischen Unternehmen darüber sprechen, wie sie jetzt auch weiter wirtschaftlich tätig sein können. Ob das möglich ist. Ob man finanziell auch helfen kann. Es ist auch klar, wir werden weiter in den nächsten Jahren, Jahrzehnten auf Rohstofflieferungen - Gas, Kohle, Erdgas vor allem - angewiesen sein aus Russland und ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob das nicht ein Teil der Lösung ist. Denn ein Russland, was keine Handelskontakte nach Europa hat, was nicht abhängig ist von wirtschaftlicher Betättigung - auch hier in Europa - ist noch unberechenbarer. Wir müssen also ein Interesse an an dieser wirtschaftlichen Verflechtung."

 

Jeder einzelne Satz klingt auf den ersten Blick vernünftig und ist kein Skandal, auch wenn man sie nicht teilt. Ich habe sie aber nicht aus dem Interview ausgewählt. Sie wurden so von Kretschmer hintereinander gesagt. Auf meine Nachfrage, ob der Ministerpräsident und die Staatskanzlei den sächsischen Unternehmen dabei helfen wollen, die Sanktionen zu umgehen, erhielt ich keine Antwort. So bleibt es nur Spekulation, ob Kretschmer hier ankündigte, die europäischen Sanktionen zu umgehen. Denn natürlich kann man diese Sätze mit viel Fantasie auch anders interpretieren.

 

Der offizielle Twitter-Kanal der Botschaft der Russischen Föderation am 02.03.2022
Der offizielle Twitter-Kanal der Botschaft der Russischen Föderation am 02.03.2022

Wenn du mit deinen Aussagen bei Russland auf fruchtbaren Boden schlägst...

...solltest du eigentlich wissen, wie weit ab vom Schuss deine Meinung ist.

 

Im Interview mit MDR Aktuell am 02.03.2022 tätigte Kretschmer einige Aussagen, die auf der russischen Seite ziemlich gut ankamen.

 

Besonderen Anklang dürfte folgende Passage gehabt haben: ""Aber es geht hier auch darum, insgesamt eine Möglichkeit für eine Zukunft zu haben, in der man zusammen arbeiten und leben kann." Man dürfe die Krise nicht noch weiter anheizen, sagte Kretschmer. Auch mit Blick auf die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen, sei es richtig, weiter mit Russland zusammenzuarbeiten. "Wir werden nur in Frieden leben, wenn wir mit Russland im Frieden leben.""

 

und ich dachte, Putin hätte während der Gespräche gelogen, sie abgebrochen und die Ukraine mehrfach angegriffen. Wie man sich irren kann. 🙄

 

 

Keine schweren Waffen an die Ukraine, kein Gasembargo und Nordstream 2 brauchen wir auch

 

Am 08.04.2022 gab Ministerpräsident Michael Kretschmer dem SPIEGEL ein Interview. Lässt man die fehlende Emotionalität des Ministerpräsidenten weg - Butscha ging durch alle Nachrichten - bleibt seine Ablehnung gegen alles, was der Ukraine helfen könnte, übrig.

 

Im Interview gab er an, dass er gegen schwere Waffen an die Ukraine zur Verteidigung ist, da ja Deutschland dadurch zum Kriegsteilnehmer werden könnte und er schon seit Jahren die Haltung habe, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern.

 

Ein Gasembargo lehnte er genau so ab. Denn dies würde vor allem uns schaden und die armen Länder in die Hände von Putin treiben.

 

Sehen viele andere Politiker:innen - vor allem seiner eigenen Partei - Nordstream 2 als Fehler mittlerweile an, hält Kretschmer weiter daran fest und möchte die Pipeline nicht "gänzlich" aufgeben.

 

Am 14.04.2022 sagte Kretschmer in der Rheinischen Post folgendes:
"Ich sehe mit großer Sorge, dass momentan stabile Leitplanken der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sehr schnell eingerissen werden. Deutschland hat es bislang aus gutem Grund abgelehnt, Waffen in Kriegsregionen zu liefern", so Kretschmer. Europa müsse gemeinsam mit den USA den Druck erhöhen, "dass die Diplomatie die Chance bekommt, den Konflikt am Verhandlungstisch zu beenden", so der Ministerpräsident.

 

Man kann ja Deutschland, Europa und den USA vieles vorwerfen. Was man ihnen aber nicht vorwerfen kann: Dass sie nicht versucht haben, den Krieg seit 2014 am Verhandlungstisch zu lösen. Noch kurz vor der großen Eskalation am 24. Februar war Bundeskanzler Scholz bei Wladimir Putin. Außenministerin Baerbock sprach dazu persönlich mit Außenminister Lawrow. Und erst kürzlich war der österreichische ÖVP-Kanzler Nehammer noch zum persönlichen Gespräch bei Wladimir Putin, wofür er massiv kritisiert wurde. Kretschmer unterstützt damit aktiv das Troll-Argument, der Krieg könne noch am Verhandlungstisch gelöst werden, wenn wir doch nur mal Putin reden würden.

 

Nicht alle Ereignisse finden sich im Text

 

Man könnte sicherlich den Eindruck erhalten, ich hätte nun aktiv nach den Ereignissen gesucht und alles wäre nun dokumentiert. Das ist allerdings nicht der Fall. So hat @FragdenStaat noch viele weitere Treffen in Erfahrung gebracht, die Kretschmer mit der russischen Seite als Ministerpräsident hatte. Auch wird man sicherlich in der Zeit fündig, in der er Bundestagsabgeordneter gewesen ist. Zudem fehlt hier die Sicht anderer CDU-Mitglieder, die sich für Herrn Kretschmer schämen und sich distanzieren. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, hat dies z.B. getan.


Vielleicht gibt es bald eine Fortsetzung. Genügend Stoff liefert Michail Kretschmer ja.