Lambrecht, der Urlaub und mein Fehler

Gestern brachte die Nachrichtenseite "Business Insider" einen Artikel über den Osterurlaub der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Und wie so häufig bei Springer, hatte der Artikel weniger Substanz, als es auf den ersten, zweiten und dritten Blick erschien. Ich bin darauf reingefallen und habe der Ministerin und der SPD unabsichtlich geschadet, wofür ich in aller Form um Entschuldigung bitte. Mir liegen mittlerweile mehr Informationen vor, die dem Artikel den Wind aus den Segeln nehmen. Dazu aber später mehr.

 

Im folgenden Blogbeitrag möchte ich darauf eingehen, wie mir das passiert ist, obwohl ich von Springer-Medien - besonders von Business Insider - mehr als nur einmal enttäuscht wurde.

 

Wenn eine Geschichte ins Bild passt

 

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich über Ministerin Lambrecht sowieso ein negatives Bild habe. Dies liegt u.a. daran, welche Nachrichten aus dem Bendlerblock an die Öffentlichkeit kommen und an ihrer Kommunikation im Ukraine-Krieg.

So zitierten Journalist:innen immer wieder hochrangige Menschen aus dem BMVg, die sich z.B. darüber beschwerten, dass die Ministerin bei der Einarbeitung keine Hilfe annahm. Selbst Annegret Kramp-Karrenbauer hätte sich Akten mit nach Hause genommen und hätte sich bestmöglich unterrichten lassen. Es war auch nicht förderlich, dass die Ministerin mit hochhackigen Schuhen die Bundeswehr in Mali besucht hat. Was im ersten Moment wie eine Stilnote klingt, hat den Hintergrund, dass man sich der Situation nach angemessen anzieht und es dort wohl an PR-Profis im BMVg mangelt.

Beim Ukraine-Krieg kann sie nichts dafür, was die Ausstattung der Bundeswehr angeht. Dies haben maßgeblich 16 Jahre lang Minister:innen von CDU/CSU versaut. Aber auch hier läuft es mit der Kommunikation nicht rund. Seit Wochen hören wir in der Öffentlichkeit, dass wir kein Material abgeben können. Ständig taucht allerdings dann doch noch was auf. Die Öffentlichkeit erfährt wenig Transparenz über Waffenlieferungen - auch im Nachhinein. Liefert das britische Verteidigungsministerium täglich ein Update über die Lage in der Ukraine, so hält sich das BMVg eher bedeckt.


Auch hier: Pressearbeit? Transparenz? Bring- statt Holschuld an Informationen der Öffentlichkeit? Alles Fehlanzeige.

 

 

Urlaubsgate über Urlaubsgate in der Politik

 

Hinzu kommt die Berichterstattung der letzten Wochen und Monate.

 

In NRW machte die ehemalige Umweltministerin der CDU, Ursula Heinen-Esser, mit anderen Persönlichkeiten der Landespolitik fröhlichen Urlaub auf Malle, als in NRW die Flutkatastrophe war. Auch der damalige Verkehrsminister und heutige Ministerpräsident Hendrik Wüst befand sich im Urlaub und richtete eine entsprechende Taskforce erst Tage später ein, die die Infrastrukturschäden in NRW untersuchte.

 

Vor wenigen Wochen trat darüber hinaus auch die damalige Umweltministerin und mittlerweile Ex-Familienministerin Anne Spiegel von den Grünen auf Grund ihres Urlaubs während der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz zurück.

 

In beiden Fällen wurde die Öffentlichkeit von den entsprechenden Politiker:innen angelogen.
Die eine erinnerte sich an Videkonferenzen aus Frankreich, an denen sie teilgenommen hatte und dies wenig später korrigieren musste. Die andere hat vergessen, dass sie noch 9 Tage länger im Urlaub blieb, als sie mitgeteilt hat.

 

Und während die Ukraine die Osteroffensive Russlands erwartete, ging unsere Verteidigungsministerin im Urlaub.

 

Das alles ließ mich dazu hinreißen, dem Business Insider glauben zu wollen - trotz der Erfahrungen der Vergangenheit und das dieses Medium zum Springer-Konzern gehört.

 

Business Insider klaut Informationen und gibt diese als eigene Informationen aus

 

Ich selbst wurde auch schon "Opfer" von Business Insider.

Im August 2021 brachte ich in Erfahrung, dass von der Landesdatenschutzbeauftragten Berlin ein Prüfverfahren gegen die CDU bzgl. ihrer App CDU Connect auf Grund von Verstößen gegen die DSGVO eröffnet wurde. Man ließ sich meine Aussagen von der Datenschutzbeauftragten bestätigen und brachte dies dann als eigene Enthüllung ohne @Watch_Union zu erwähnen oder bei uns nachzufragen. Heise, die die Informationen von uns übernommen haben, erwähnten uns, wie es sich gehört.

 

Seitdem stehe ich mit Business Insider sowieso auf Kriegsfuß.

 

Business Insider suggeriert falsche Tatsachen

 

Nach dieser langen Vorrede, die keine Rechtfertigung für meinen Fehler sein soll, kommen wir nun zum Punkt.

 

Was war eigentlich geschehen?

 

Ministerin Lambrecht befand sich über Ostern im Urlaub auf Sylt. Hierzu nahm sie ihren Sohn mit. Was Springer bei CDU-Minister:innen deutlich kritisiert, machte Business Insider offenbar hier. Und zwar stalkten sie auf Instagram den Sohn von Ministerin Lambrecht. DIeser hatte ein Foto aus einer Regierungsmaschine der Bundeswehr gepostet. Merkwürdig hier dran: Das Foto erschien am 15.04.2022 und zeigte im Hintergrund den Bendlerblock (das Verteidigungsministerium). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Ministerin allerdings schon in Schleswig-Holstein, worauf Business Insider deutlich hinwies. Es stand also im Raum, dass ihr Sohn nach Schleswig-Holstein für den Urlaub eingeflogen wurde.

 

Der Artikel wurde mittlerweile mehrfach bearbeitet, ohne die entsprechenden Passagen kenntlich zu machen.

 

Der entscheidende Satz ist aber noch drin: "Wurde ihr Sohn von der Flugbereitschaft am 15. April also extra in den Urlaub eingeflogen, wie das Foto auf den ersten Blick suggeriert?"

 

Wenn dies so gewesen wäre, wäre dies natürlich ein riesiger Skandal gewesen. Eine Sozialdemokratin sieht den Staat als Selbstbedienungsladen und lässt ihr Söhnchen extra zum Urlauben nach Sylt einfliegen.

 

Nach einer der zahllosen Änderungen am Artikel wurde ergänzt, dass das Bundesverteidigungsministerium bestätigte, dass die Ministerin ihren Sohn mitnahm, dies alles ordentlich angemeldet wurde usw.

 

So heißt es: "Nun droht der Urlaub ein politisches Nachspiel zu haben: Nach Informationen von Business Insider flog Lambrechts Sohn mit seiner Mutter mindestens einen Teil der Strecke in einem Regierungshubschrauber. Das Ministerium bestätigt den Mitflug, betont aber, es sei dabei rechtlich alles sauber gelaufen."

 

Wir alle wissen aus unserer Smartphone-Nutzung, dass man aufregende Fotos nicht Tage lang ruhen lässt und diese eher unmittelbar postet. Da ihr Sohn das Foto am 15. postete, die Ministerin allerdings dort schon in Schleswig-Holstein war und dementsprechend nicht in Berlin sein konnte, wurde hier - und wird noch immer - suggeriert, dass der Sohn nur einen Teil mit der Mutter flog und den Rest alleine zurück legte.

 

Journalistisch unsauber

 

Wie aus dem Text weiter hervorgeht, hatte man sich wohl nicht die Mühe gemacht, das Ministerium vorher um eine Stellungnahme zu fragen, wie es im Journalismus üblich ist.


Denn: "Nach der Veröffentlichung dieses Berichts bestätigte das Ministerium, dass Lambrechts Sohn mit der Politikerin geflogen sei."

 

In der ersten Version war nicht davon die Rede, dass man beim BMVg bisher nicht nachfragte.

 

Die Fakten

 

Ich habe gestern Abend noch eine E-Mail an das Verteidigungsministerium geschrieben, die bereits am Vormittag beantwortet wurde. An dieser Stelle erst einmal ein Lob an das Verteidigungsministerium. Auf die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz warte ich schon seit einigen Wochen.

 

Ein Sprecher des Ministeriums teilte mir folgendes mit:

 

"Nur am 13.04.2022 gab es einen Mitflug eines Familienangehörigen von Frau BM'in Lambrecht in einem Luftfahrzeug der Flugbereitschaft BMVg (FlBschft BMVg). Der Flug erfolgte vom BMVg, Dienstsitz Berlin, nach Ladelund (geeigneter Hubschrauberlandeplatz für den Truppenbesuch beim EloKaBtl 911). Dieser Flug war der einzige Mitflug eines Familienangehörigen der Verteidigungsministerin Lambrecht in dieser Legislatur."

 

 Alleine diese Information lässt den ganzen Artikel von Business Insider einstürzen, der vielleicht nur deswegen erschien, um der CDU in NRW den Sieg zu sichern?

 

 Um das Thema vollumfänglich abzuschließen, stellte ich zudem folgende Frage:

"Wo man hinfliegt, muss man auch wieder zurückkommen. Mit welchem Verkehrsmittel beendeten die Ministerin und ihr Sohn den Urlaub? Sollte es mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr geschehen sein, bitte ich mir mitzuteilen, welche Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit dies notwendig machten."

 

Darauf die Antwort des BMVg's: "Für die Rückreise der Frau Bundesministerin Lambrecht wurde kein Luftfahrzeug der Flugbereitschaft BMVg genutzt."

 

Vom Skandal bleibt damit nur noch übrig, dass die Ministerin Urlaub in einer Zeit machte, in der eine Bundesverteidigungsministerin tatsächlich gefordert ist und sich Europa und die europäische Demokratie im Krieg mit einer Diktatur befindet.

 

Meine persönlichen Konsequenzen daraus

 

Ich bin gestern auf Kritik ziemlich arrogant eingegangen, da für mich (wie oben ausführlich dargelegt) der Artikel logisch erschien. Auf Grund meiner Erfahrungen mit den Ministerien in NRW, welches mir Antworten bis heute verweigern und der fehlenden Antwort des BMWK habe ich auch zu spät den Weg gewählt, mich direkt an das BMVg zu wenden.

 

Beim BMVg werde ich in Zukunft direkt nachfragen, wenn ein Artikel erscheint, der Skandalpotenzial hat. Denn wenn ich mir sicher sein kann, unmittelbar eine Antwort zu erhalten, nehme ich dies natürlich auch dankend in Anspruch.

 

Ich persönlich kann für meinen Fehler nur um Entschuldigung bitten. Nicht nur bei der Ministerin - auch bei der SPD und bei den Menschen, die ich harsch angegangen bin.

 

Für mich war dies mal wieder eine Lehre dafür, dass Springer-"Journalist:innen" keine wirklichen Journalist:innen sind und den Berufsstand schaden.

 

Ich könnte mich damit rechtfertigen, dass auch andere Medien die Nachricht übernommen haben, allerdings ein Fragezeichen mehr als ich setzten. Da ich aber besser sein möchte, tue ich dies nicht und stehe dazu, dass ich hier einen riesen großen Bockmist geschossen habe.

 

Ich habe meine Tweets dazu gelöscht, damit diese Falschinformation nicht weiter verbreitet wird. Archiviert habe ich diese nicht, da ich denke, dass dieser Beitrag groß aufzeigt, was für einen Mist ich verzapft habe.

 

Ich hoffe, die Ministerin und unsere Community nehmen meine Entschuldigung an.

 

Herzlichst

Euer Thomas (/TN)