Trickle-Up statt Trickle-Down

Nein. Ich habe nicht Wirtschaft studiert und die Ökonomie ist auch nicht mein Steckenpferd. Ich interessiere mich mehr für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Damit die Sozialpolitik finanziert werden kann, ist eine starke Wirtschaft natürlich von Vorteil. Denn konservative Ökonom:innen liegen schon damit richtig, dass Wohlstand erst einmal da sein muss, um diesen umzuverteilen.

 

Der Trickle-Down-Effekt - die dämlichste Theorie der Menschheitsgeschichte

 

In den letzten Jahrzehnten legten Ökonom:innen den ideologischen Unterbau für den Neoliberalismus unserer Zeit, der in Deutschland seinen Höhepunkt in der Agenda 2010 gefunden hat. Filetstücke des Staates wurden privatisiert, Sozialausgaben gekürzt und je größer das Unternehmen und das Bankkonto war, desto mehr Entlastungen gab es. Mit der Einführung von "fördern und fordern" in der Sozialpolitik wurde der Niedriglohnsektor in Deutschland zementiert, der mit Leiharbeit und anderen unsozialen Maßnahmen flankiert wurde.

 

Für einige Teile der Wirtschaft war dies lukrativ. Die Gewinne stiegen.

Der andere Teil begnügte sich mit Billigarbeitskräften, die zumindest den Gewinn nicht schmälerten.

 

Was hier beschrieben wird, nennt sich Trickle-Down-Theorie oder Trickle-Down-Effekt. Sie besagt, dass der Wohlstand der Reichen in die Gesellschaft sickert. Geht es also der Elite gut, fallen genug Brotkrümel für den Pöbel ab.

 

Der Wirtschaftsweise (Offiziell: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung") Achim Truger und der bekannte Ökonom Marcel Fratzscher kamen zum Schluss, dass der Trickle-Down-Effekt in Deutschland nicht funktioniere.

 

Es ist keine Überraschung, dass der Trickle-Down-Effekt nicht funktioniert. Denn das lernt man bereits in der einjährigen Handelsschule und lässt sich einfach belegen und erklärt sich schon mit dem allgemeinen Menschenverstand.

 

Wieso sollte ich mir das gleiche Gut dreimal kaufen?

 

Wenn mein Konsum gedeckt ist, bleibt mir nicht mehr viel übrig, mein Geld noch unter die Leute zu bekommen. Klar. Einige Produkte verpasse ich ein Upgrade. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, wo ich anfange, mein Geld zu sparen. Dies konnte man z.B. in der Coronavirus-Pandemie gut beobachten. Während die Konsumquote zurück ging, nahm die Sparquote zu. Das heißt, der Realwirtschaft wurde Geld entzogen und die Finanzwirtschaft profitierte davon. Natürlich ist dies nur bedingt damit zu vergleichen, wie es normalerweise läuft. Denn vieles, wofür wir sonst unser Geld ausgeben, war entweder geschlossen oder stark eingeschränkt. Der Effekt ist allerdings auch außerhalb der Coronavirus-Pandemie zu beobachten.

 

Besonders interessant wird es, wenn man bedenkt, dass sich die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter öffnet, die Sparquote aber trotzdem (bis auf 2 Ausnahmen) immer über 10% liegt.

 

Wie wäre es mit dem Trickle-Up-Effekt?

 

Die Situation ist hausgemacht und kann daher natürlich auch politisch behoben werden.

Im Kern einer verantwortungsvollen Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sollte hierbei die Stärkung der finanziell unteren Haushalte stehen, damit diese konsumieren können. Deutschland hat hierbei schon einige Maßnahmen eingeführt, die dieses Ziel positiv unterstützen (siehe Einführung Mindestlohn), muss hier allerdings noch einen erheblichen Schritt gehen und eine Schüppe drauf legen.

 

Konsum muss hierbei übrigens nicht immer etwas schlechtes sein. Wer seine Kartoffeln nicht mehr im Supermarkt kauft, weil sie dort billiger sind und sich direkt an die Landwirtin um die Ecke wendet, erhöht seinen Konsum nicht, gibt aber mehr Geld aus und stärkt damit den landwirtschaftlichen Betrieb. Wer sich bisher den Restaurantbesuch nicht leisten konnte, durch mehr Geld aber mal eins besuchen kann, schafft Arbeitsplätze, schadet damit im Wesentlichen aber nicht der Umwelt. Und wer es schafft, seinen alten Kühlschrank gegen ein neues Gerät auszutauschen, spart sogar noch CO2 ein und verringert erheblich seinen Energieverbrauch.

 

Da ein großer Teil unserer Gesellschaft Konsumnachholeffekte hat, sendet dies ein positives Signal an die Binnenwirtschaft aus, schafft neue Arbeitsplätze und erhöht damit den Wohlstand unseres Landes.

Natürlich wird es hierbei auch Verlierer:innen geben. Dies ist unter anderem die mächtige Exportindustrie. Höhere Transferleistungen heißt natürlich auch höheren Mindestlohn und dieser treibt die Löhne von Facharbeiter:innen.

 

Die Stärkung unterer Einkommen hat daneben noch einen weiteren charmanten Effekt: Es ist günstiger für den Staat. Da das Geld zeitnah ausgegeben wird und nicht auf irgendwelchen Konten oder in Aktienfonds verschwindet, geht ein großer Teil allein über die Mehrwertsteuer wieder zurück an den Staat. Mehr Arbeitsplätze schaffen zudem Einnahmen über die Einkommenssteuer, verringert andere Sozialausgaben und stärkt auch noch die Sozialversicherungen durch höhere Einnahmen.  Zudem wird Deutschland durch höhere Löhne auch attraktiver für Facharbeiter:innen aus anderen Ländern.

 

Die Exportwirtschaft sollte man zwar nicht außer Acht lassen. Man sollte sie aber auch nicht überhöhen.

 

Welche Maßnahmen würden m.E. greifen?

 

- Mindestlohnerhöhung

- Erhöhung von Transferleistungen

- Bürokratieabbau bei Kleingewerbe

- Konsumimpulse wie z.B. der Kinderbonus

- Klimageld / Klimadividende

- Abschaffung Sanktionen, Veränderung im Bereich Zeitarbeit / Leiharbeit (z.B. Hinzufügung einer Risikoprämie)

 

Je nach Ausgestaltung dürften sich diese Maßnahmen gegenseitig selbst finanzieren und wären damit keine Mehrbelastung für die Staatsausgaben.