Es war einmal ein #PorscheGate

Dieser Ausschnitt der ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" hält das politische Deutschland dieser Tage in Atem und hat für Christian Lindner noch bisher ungeahnte Folgen. Sah es am Anfang erst so aus, als ob diese Geschichte im Sand versickert, hat eine schlechte Unternehmenskommunikation aus dem Umfeld von Porsche und eine desaströse Kommunikation aus dem Umfeld von Lindner die Debatte weiter angeheizt, weswegen ab dem Nachmittag des 22. Juli 2022 auch andere Medien nicht darum herum kamen, über diesen Fall zu berichten. Nachdem der Merkur den ersten mir bekannten Artikel zum Thema veröffentlichte, folgte es Schlag auf Schlag. Doch der Reihe nach.

 

Was war eigentlich los?

Ausschnitt Faktencheck "Die Anstalt" bzgl. Porsche
Ausschnitt Faktencheck "Die Anstalt" bzgl. Porsche

Am 19. Juli 2022 enthüllte "Die Anstalt" fast beiläufig in ihrer Sendung, dass sich Porsche-Chef Blume vor seinen Mitarbeiter:innen damit brüstete, einen großen Anteil daran zu haben, dass die supertolle Technologie der Efuels im Koalitionsvertrag vorkommen. Wer näheres zu Efuels wissen möchte, kann sich eine Zusammenfassung dazu von mir durchlesen, die ich anlässlich des widersprüchlichen Lobbyismus des ADAC's zu diesem Thema geschrieben habe.  Porsche-Chef Oliver Blume behauptete dabei: "Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten."

 

Im Faktencheck zur Sendung vom 19. Juli 2022 (das PDF ist auf der Anstaltsseite verlinkt) geht das ZDF auch darauf ein, woher und in welchem Kontext die Aussage getroffen wurde. So heißt es dort: "Die in der Sendung zitierte Aussage von Oliver Blume stammt aus der PorscheBetriebsversammlung vom 29. Juni 2022. Belege, die diese Aussage verifizieren, liegen der Redaktion vor."

 

 

Die desaströse Krisenkommunikation

Brauchte es in der interessierten politischen Debatte schon etwas länger, um den Skandal zu erkennen, ging es dann aber Schlag auf Schlag.

 

Am 22. Juli versuchte die Volkswagen Group, zu dessen Mammutkonzern Porsche gehört, den Skandal mit einem Witz abzuwürgen. Das gelang nur so mittelmäßig und verfing nur in den liberal-konservativen Medien.

Der Grund dafür ist relativ simpel: In der Unternehmenskommunikation ist es eine verbreitete Technik, auf eine konkrete Situation vermeintlich einzugehen und sich dabei Schlupflöcher offen zu halten. Mit der Formulierung, es habe keinen Liveticker von den Koalitionsverhandlungen gegeben, hielt man sich bei der VW Group eine Hintertür offen.

Denn: Die Anstalt sprach nicht davon, dass es einen Liveticker von den Koalitionsverhandlungen gab. Man wurde fast stündlich zum Thema Efuels informiert. Wer sich ein wenig mit Kommunikation bei Skandalen auskennt, wird dieser Taktik schon häufiger begegnet sein.

Das merkte man offenbar auch bei der VW Group, weswegen sie etwa drei Stunden später nachlegten und konkreter wurden: Porsche hat keinen Einfluss auf den Koalitionsvertrag genommen.

Um weiter auf die Krisenkommunikation von Porsche/Volkswagen und Christian Lindner einzugehen, müssen wir nun einen kleinen Abstecher zur BILD-Zeitung machen. Ihr wundert euch? Ich mich auch.

 

Am 22.07.2022 um 23:06 Uhr veröffentlichte Maximilian Both in der BILD den ersten Artikel (Paywall) zum Thema, der mir bei einem Springer-Medium unter gekommen ist.

 

Und dieser Artikel hat es in sich. BILD hat bei seinem Kontakt zu Porsche offenbar eine SMS erhalten, die der Porsche-Pressesprecher vor der Stellungnahme an BILD an den Sprecher von Christian Lindner senden wollte.

Auf Grund der vielen privaten Verstrickungen von Lindner mit der Axel Springer SE erscheint diese fehlgeleitete SMS als besonders glaubwürdig. Das zeigt auch die sonstige Zurückhaltung der Axel Springer SE. So spielt die SMS beim Schwestermedium WELT keine Rolle. Dabei erschien der Artikel am 23.07.2022 und damit nach dem Artikel der BILD. Ein Schelm wer Lehfeldt dabei denkt. (Siehe Update 2 vom 23.07.2022)

Für die Korrektheit des BILD-Artikels spricht die Tatsache, dass das Statement zum Thema auf Lindners Twitteraccount nicht von Lindner selbst stammte.

 

Nachdem Porsche und das Team Lindner ihre Geschichte abgestimmt hatten, twitterte sein Team, dass Lindners Position zu E-Fuels seit Jahren bekannt ist. Entsprechend gab es im Juni zum geplanten Verbrenner-Aus auch keinen Kontakt jeglicher Art mit Porsche-Chef Blume oder anderen Einfluss.

 

Ihr merkt es? Das geplante Verbrenner-Aus war überhaupt nicht das Thema. Außer die Koalitionsverhandlungen haben im Juni stattgefunden und wir wären die letzten Monate einer großen medialen Verschwörung aufgesessen. Bezieht sich das Team Lindner doch auf die Koalitionsverhandlungen, könnte man dies sogar so auffassen, dass der Porsche-Chef und Lindner noch nie Kontakt miteinander hatten, was aber höchst unwahrscheinlich ist, dass man sich in politischen Statements so angreifbar macht. Selbst wenn man Lindner verteidigen wollen würde, könnte es immer wieder Veranstaltungen gegeben haben, bei denen die beiden zufällig teilnahmen. Der nächste Skandal - ob handfest oder nicht - wäre vorprogrammiert und würde die gesamte Krisenkommunikation zerstören.  (Siehe Update vom 25.07.2022)

 

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Teams für ihren Arbeitgeber twittern. Lindner twitterte allerdings die letzten Wochen und Monate überwiegend selbst. So twitterte sein Team das letzte Mal am 11. Juli. Die 14 Tweets danach wurden von Christian Lindner, laut Kennzeichnung, selbst abgesetzt. Twitter ist im Team Lindner übrigens Chefsache. Vor dem 11. Juli findet sich der letzte "Team Lindner-Tweet am 27. Mai.

Welches Interesse Porsche an den Efuels hat

Porsche verfolgt vielfältige Interessen beim Thema Efuels.

 

1. In Punta Arenas in Chile errichtet Porsche zusammen mit Siemens Energy (Efuels-Alliance) und einigen Unternehmen die erste kommerziell betriebene Produktionsstätte zur Herstellung von Efuels. Diese soll bis 2026 auf etwa 550 Millionen Liter Efuels erweitert werden. Hört sich viel an? Mit der Menge würde die ganze Welt gerade einmal fünf Tage auskommen - ohne die Einberechnung des Transportverbrauchs. Denn eine Pipeline von Chile nach Europa existiert meines Wissens noch nicht.

 

2. Im Efuels-Geschäft hat Porsche viel Geld investiert. So gab motor1.com bekannt, dass Porsche in die Holdinggesellschaft HIF Global LLC 75 Millionen US-Dollar investiert hat. Und investiert wird nur, wenn man sich einen ordentlichen Gewinn verspricht.

 

3. Porsche ist bekannt für seine Motorsport-Sparte. So ziemlich jede Rennklasse hat ein Porsche-Team dabei. Erste Tests dazu sind bereits angelaufen.

 

4. Viele Medien führen an, dass Porsche auch ein Interesse an Efuels hat, da sie Sorgen haben, den 911er nicht mehr verkaufen zu können. Denn dieser würde seinen einzigartigen Soundgeräusch mit E-Mobilität verlieren. 

Zudem gibt Porsche folgendes an: "Unsere Ikone, der 911, eignet sich besonders für den Einsatz der eFuels. Aber auch unsere beliebten historischen Fahrzeuge, denn rund 70 Prozent aller jemals gebauten Porsche sind heute noch auf den Straßen unterwegs."

Fazit

Man muss hierbei klar bedenken, dass es immer noch die Möglichkeit gibt, dass das ZDF eine Falschinformation verbreitet. Ich persönlich schließe dies aus, da das ZDF-Justiziariat bei solchen sensiblen Dingen auch schon in der Vergangenheit mit Argusaugen hingeschaut hat. Das ZDF ist sogar eher dafür bekannt, Themen wegzulassen, wenn diese rechtlich angreifbar wären. Insbesondere "Die Anstalt" hat einen exzellenten Ruf und fiel auch in der Vergangenheit immer wieder mit erstklassigen Recherchen auf. Was man der Anstalt allerdings hier ankreiden muss: Journalistisch sauber wäre es gewesen, Porsche und Lindner vorher mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Dies ist hier anscheinend ausgeblieben.

 

Untermauert wird "Die Anstalt" mit der Abstimmung zwischen "Team Lindner" und Porsche zur Krisenkommunikation. Die BILD hat hier meines Erachtens absolut keinen Grund, diese Story zu erfinden oder zu überspitzen. Eine Abstimmung wäre zudem nicht nötig, wenn an der Story überhaupt nichts dran wäre.

 

Einige in der konservativ-liberalen Bubble (Grüße an Frau Preuß von der FAZ) sehen dies als "Mini-Affäre" an, da sie sich offensichtlich so daran gewöhnt haben, dass Unternehmen die Politik bestimmen. Deswegen halte ich einen Rücktritt von Christian Lindner auch für sehr unwahrscheinlich - Egal was da noch herauskommt. Denn die Gefahr für unsere Demokratie wird in solchen Kreisen schon lange nicht mehr durch solche Skandale gesehen.

 

Schon heute ist eine vorherrschende Meinung innerhalb der Gesellschaft, dass "die da Oben" sowieso nur Konzerninteressen vertreten und die Wähler:innen nur alle vier Jahre bei der Bundestagswahl im Vordergrund stehen. Was soll man diesen Menschen entgegnen, wenn dies tatsächlich in regelmäßigen Abständen immer wieder bestätigt wird?

 

Updates

Am 23. Juli 2022 veröffentlichte die FDP eine Pressemitteilung zum #PorscheGate.

 

In dieser heißt es, dass Kontakte zur Automobilindustrie ganz normal seien auf Grund der herausragenden wirtschaftlichen Stellung.

"Solche Gespräche haben die Unternehmen nach unserer Kenntnis auch mit den Verhandlern der Koalitionspartner geführt. Dies ist angesichts der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie, an deren Zukunft direkt und indirekt die Arbeitsplätze von Millionen Beschäftigter hängen, auch richtig."

 

Ein Satz in der Pressemitteilung dürfte Christian Lindner allerdings dennoch belasten. So schrieb sein Team (Screenshot weiter oben): "Es gab zuvor keinerlei Kontakt mit Herrn Blume und auch keinerlei andere Einflussnahme."

 

In der FDP-Pressemitteilung heißt es: "Es gab im Oktober 2021 lediglich ein kurzes Telefonat zwischen Herrn Blume und Herrn Lindner zu Fragen der Verwendung von E-Fuels. Auch mit Konzernchefs von Fahrzeugherstellern, die E-Fuels nicht unterstützen, hat Herr Lindner telefoniert."

 

Ich bin verwirrt. Nach Adam Riese ist doch ein Kontakt (1) mehr als keinerlei Kontakt (0) oder? Morgen sind es dann zwei Kontakte und Ende nächster Woche dann doch stündliche Updates zum Thema Efuels?

 


Am 23. Juli 2022 um 14:51 Uhr veröffentlichte das Springermedium WELT einen neuen Artikel zum #PorscheGate.

 

In diesem bestätigt Porsche die Berichterstattung der Satire-Show "Die Anstalt". So heißt es: „Im Rahmen einer internen Veranstaltung im Juni ist überspitzt formuliert worden, dafür entschuldigen wir uns“, sagte ein Sprecher der Porsche AG WELT AM SONNTAG. „Die Wortwahl entspricht nicht den Tatsachen. Der Austausch hat so nicht stattgefunden und es gab keine Einflussnahme.“

 

Dies ist ein gewaltiger Schlag für den künftigen VW-Boss, gibt doch Porsche zu, dass ihr aktueller Chef dazu neigt, bei seinen eigenen Mitarbeiter:innen auf dicke Hose zu machen und sie wissentlich zu täuschen.

 

Übrigens: Nun findet man im WELT-Artikel auch den Hinweis auf die SMS der BILD-Zeitung.